Rhönritt 10.-16.9.2006
 


Die Rhön ist eine faszinierende Landschaft, urwüchsig und romantisch. Seit 1991 ist sie zum UNESCO-Biosphärenreservat erklärt worden.

Zum Rhönritt 2006 hatten sich Eberhard, Hans, Tatjana und Susanne verabredet. Simone wollte nur für die letzten drei Tage dazu stoßen. Alle vier wollten am Ende des Rittes bei Joe Kessler die Wander- bzw. Geländerittführerprüfung VFD ablegen. Die Tour begann am 10.9.2006 mit dem Eintreffen der Teilnehmer im Reiterhof am Waldesrand in Stockheim.
Nach einer angenehmen Nacht in schönen Zimmern und einem reichhaltigen Frühstück gingen wir auf unsere erste Etappe, über die Kupfermühle zum Simonshof (Heimathof für Obdachlose) und von dort weiter nach Burgwallbach. Da nicht jeder von uns am Simonshof einkehren wollte, ist die Mittagspause an diesem ersten Tag für uns Reiter mehr oder weniger entfallen, bzw. es wurde der essbare Inhalt der Satteltaschen verzehrt. Die Pferde duften natürlich wie jeden Tag zwischendurch mehrmals ausgiebig grasen.
Im Hotel Waldesruh in Burgwallbach kamen wir wiederum bestens unter, die Pferde konnten ihn Paddocks auf der Weide gegenüber übernachten.

Am nächsten Vormittag brachen wir auf Richtung Kloster Kreuzberg. Das Kloster steht in der landschaftlich reizvollen Rhön auf dem 928 m hohen Kreuzberg. Eberhard erklärte den Oberbayern unter uns, es handle sich dabei um das „Andechs der Rhön“.
Vom Gipfel des Kreuzbergs eröffnet sich der Rundblick weit in das fränkische Land, die Hessische Rhön, den Thüringer Wald und den Spessart. Noch kurz vor dem Ziel war leider bei meinem Isländer eine sofortige Reparatur des Beschlags erforderlich, da er sich ein Vordereisen auf einer Seite komplett abgetreten hatte. Unglücklicherweise habe ich dabei meine Kartentasche mit der gesamten Streckenplanung abgelegt und unbemerkt liegen lassen…Gott sei Dank war alles noch an Ort und Stelle, als ich vom Kreuzberg zu Fuß zurück marschieren musste, während die anderen bereits das seit 1731 in der eigenen Klosterbrauerei hergestellte und viel gerühmte Klosterbier genießen durften. Der Aufstieg zum Kreuzberg war wirklich lohnenswert. Zu Fuß erklommen wir dann noch den höchsten Aussichtspunkt, auf dem drei Kreuze errichtet sind. Von dort hat man einen wunderbaren Ausblick über weite Teile der Rhön.
Unsere Nachmittagsetappe führte uns abwärts zur Weiler Ziegelhütte. Dort erwarteten uns am Isländergestüt Kunert Paddocks für die Pferde sowie für uns ein Ferienappartement mit Schlafgalerie. Da unweit unseres Quartiers die Reithalle der Familie Kunert stand, haben Eberhard, Hans und Tatjana die Chance genutzt und mit mir für die Reitprüfung III, die Teil der Wander- bzw. Geländerittführerausbildung VFD ist, geübt.
Am Abend gab es Pizza vom Pizzaservice und alle fielen müde ins Bett.

Am Dienstag ging es weiter, vorbei an Gangolfsberg und Osterburg nach Frankenheim.
Wir ließen nach der Mittagsrast in einer Gaststätte in Frankenheim den Ort Bischofsheim östlich liegen und ritten ein herrliches Tal zum Holzberghof hinauf. Am Holzberghof erwarteten uns ein von Hans und Eberhard perfekt vorab aufgebauter eigener E-Zaun und das dort vorab geparkte Trossfahrzeug mit Heu und Kraftfutter. Der Holzberghof ist ein uriges kleines Schloss mit vorzüglichem Essen und war mit Sicherheit unser schönstes Quartier. Im frühen 16. Jahrhundert wurde auf dem waldreichen Holzberg  eine Eisenschmelze errichtet und im Tagebau gefördertes Eisenerz zu Gusseisen geschmolzen. Im Jahre 1614 wurde der älteste Teil des Schlosses, das sogenannte Forsthaus, durch den Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn erbaut. Sein Wappen, sowie die Jahreszahl der Errichtung sind über der Tür des Forsthauses zu sehen. Neben der Eisenschmelze wurde auch eine Maultierzucht betrieben und jährlich etwa 30 Lastmulis gezüchtet.  Im Jahre 1910 ließ die damalige  Besitzerin Gräfin Schimmelmann an das Forsthaus das heutige Schloss anbauen. Dieser Anbau ist die Kopie des dänischen Wasserschlosses Frederikstein. Deshalb wird das Schloss von vielen Besuchern für wesentlich älter gehalten. Seit 1954 befindet sich das Schloss im Besitz der Familie Meinschäfer, die es zu einem Restaurant mit Gästezimmern gemacht hat. Besonders romantisch ist es, abends in der gemütlichen Gaststube im Schein von Petroleumlampen zu essen und mit Kerzenlicht zu Bett zu gehen. Die Stromversorgung im Schloss ist auf ein Minimum reduziert, ab 22.00h gibt es kein elektrisches Licht mehr im Zimmer.

Schwer fällt es uns am nächsten Tag, den gemütlichen Holzberghof zu verlassen.
Wir reiten etwa auf der gleichen Höhe weiter zum Roten Moor (Naturschutzgebiet). Dort machen wir kurz Pause und können von einem Aussichtstürmchen unseren Blick über das Moor schweifen lassen. Weiter geht es am Kaskadental entlang bis zur Wasserkuppe. Das (für Reiter verbotene) Naturschutzgebiet „Lange Rhön“ mit seinen weitflächigen Matten lassen wir östlich liegen. Östlich befindet sich auch der Heidelstein mit seinem Sender. Schon von weitem grüßt diese sanfte Erhebung, auf dessen Höhenzug sich das Heidelsteindenkmal des Rhönklubs befindet. Sanfte Kuppen, ausgedehnte Wälder und saftig grüne Wiesen werden von wilden und sauberen Bächen durchzogen. Das ist die Gegend, welches das "Land der offenen Fernen" genannt wird. Eingebettet zwischen Vogelsberg, Spessart und dem Thüringer Wald erheben sich markante Gipfel, deren Namen mittlerweile Bekanntheit erlangt haben. Die Lange Rhön war früher das Weidegebiet für Schafe weit ins Frankenland hinein. Selbst aus dem Steigerwald zogen noch nach dem Kriege die Schäfer Sommers in die Rhön. Da die Wanderschäferei aber immer mehr zum Erliegen kommt, droht der Hochrhön die Verbuschung.
Mittags kommen wir auf der ziemlich belebten Wasserkuppe an. Die Wasserkuppe - der "Berg der Flieger" - besitzt  als Wiege des Segelflugsports eine große Bedeutung. Mittlerweile tummeln sich auf ihrem Gipfel nicht nur Segelflieger, sondern auch Modellflieger, Drachenflieger und Gleitschirmflieger. Tatjanas Haflingerstute Bella und mein Isi Tjaldur sind angesichts der bunten Gleitschirme ganz aufgeregt und können sich gar nicht satt sehen.
Ein Picknick am Denkmal Fliegeradler etwas abseits vom Touristenrummel lässt uns einen wundervollen Blick nach Hessen genießen. Nach einer ausgiebigen Pause steigen wir über einen schmalen Pfad zum bereits in Hessen gelegenen Grabenhöfchen über Abtsroda ab. Der Besitzer und der Stallbursche unseres Quartiers in Grabenhöfchen sind sehr seltsame Leute, Bella und Tjaldur sind dort in einem nicht sehr ansprechenden Stall untergebracht. Aber für gute Wanderreitpferde ist das kein Problem.

Am nächsten Tag stößt Simone etwas verspätet fast schon gegen Mittag zu uns, so dass wir nicht ganz pünktlich aufbrechen können. Durch Hessen reiten wir schließlich weiter Richtung Thüringen bis nach Seiferts, wo wir bei Familie Schmitt Mittagsrast machen dürfen und reichhaltig bewirtet werden. Mein Isi Tjaldur gefällt Herrn Schmitt so gut, dass er ihn gerne behalten würde. Tjaldur darf jedoch weiter mit uns kommen. Der Weg führt uns anschließend ein Stückchen durch den Landkreis Schmalkalden in Thüringen. Ein alter Grenzüberwachungsturm erinnert noch an die DDR. Leider können wir dort in Birx nicht mehr auf einen Kaffee einkehren, da wir zeitlich in Verzug sind und am Abend Joe Kessler am Rhönhof zu uns stößt, um seine Prüflinge in Empfang zu nehmen.
Wir reiten weiter zum Schwarzen Moor. Dieses erkunden Tatjana, Simone, Eberhard und ich auf den eigens dafür angelegten Holzstegen zu Fuß, Hans bleibt freundlicherweise bei unseren Pferden am Parkplatz zurück. Das Schwarze Moor ist das eindruckvollste Hochmoor der Rhön. Es liegt in unmittelbarer Nähe des Dreiländerecks von Bayern, Hessen und Thüringen. Ein Bohlenpfad (ca. 3 km) mit Informationstafeln führt  durch die verschiedenen Moorbereiche und vorbei an einem typischen Moorauge. Wollgras, Beersträucher, Karpatenbirke und Sonnentau sind charakteristisch für das Moor. Hier befindet sich auch ein Rückzugsgebiet für Birkhuhn und Bekassine. Ein Torbogen im Eingangsbereich ist ein Zeugnis eines Reichsarbeitsdienstlagers (1936 - 40). Das Betreten des Schwarzen Moores ist natürlich mit Pferden verboten.
Da Joe Kessler bereits am Rhönhof wartet, versuchen wir, schnell zum Rhönhof weiter zu kommen. Ein Weg endet im Morast und Eberhards Pferd verliert einen Hufschuh, den wir so schnell auch nicht mehr finden. Am Rhönhof erwartet uns Joe schon etwas ungeduldig.

1938 wurde der nach einem bayerischen Naziführer benannte ‚Siebertshof" als Musterhof für Ackerbau gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Hof als "Rhönhof" von der Bayerischen Landesanstalt für Landkultur und Moorwirtschaft unter Aufsicht der Rhönkulturstelle Mellrichstadt weitergeführt. Ziel ist es, den Rhönhof für die Region in seiner Substanz zu erhalten und die heimischen Landwirte zu unterstützen. Deshalb werden auf dem Hof auch überwiegend Produkte aus der Region angeboten. Auf der Speisekarte findet man "Zünftiges vom Hof", beispielsweise "Rhönschaf-Brotzeit" oder "Rhön-Ronke", ein Bauernbrottoast überbacken mit Speck, Zwiebeln, Lauch und Rhöner Käse. Die Getränke reichen von Säften und Wein aus Rhöner Streuobst bis hin zu dem selbst kreierten Apfelbier.
Die Unterbringung der Pferde hat sich am Rhönhof leider nicht ganz so einfach gestaltet, da die vorgesehenen Koppeln mit Schafzaun (für die berühmten Rhönschafe!) eingezäunt waren, der für Pferde nicht unbedingt geeignet ist. Während Tatjana und Simone unter Joes Aufsicht die schriftliche Prüfung zum Geländerittführer schrieben, haben Hans, Eberhard und ich uns mit dem von Hans am Rhönhof geparkten Auto, in dem unsere Schlafsäcke bereits zum Rhönhof gebracht worden waren, nochmals auf den Weg zum Holzberghof gemacht. Wir wollten das Paddockmaterial, das dort in Eberhards Auto deponiert war, holen. Leider hatte Eberhards Auto Startschwierigkeiten. Gerade als Hans außer Sichtweite war, blieb Eberhards Auto wieder stehen und wir mussten schieben… Es war dann schon fast dunkel, als wir wieder am Rhönhof waren und alle Pferde einen entsprechenden Zaun hatten. Gerade noch rechtzeitig konnten wir etwas zu essen bestellen.
Nach dem Genuss von Apfelbier und einigen Schnäpsen sind wir im Haulager in einen mehr oder weniger tiefen Schlaf gefallen. Simone und Joe schliefen im Rhönparkhotel.

Am Freitag in der Früh hat sich leider herausgestellt, dass Eberhards Pferd etwas klamm ging. Er durfte mit der braven Stute von Hans, die bisher als Handpferd mitlief, weiter reiten, Eberhards Brandy lief nun stattdessen als Handpferd mit. Eberhard hatte zum Glück vor dem Frühstück seinen Hufschuh wieder gefunden.
Vom Rhönhof ging es unter der Führung von Simone über den Eisgraben bis nach Roth zur Brauereigaststätte. Am Eisgraben gab es von Joe Kessler für die Prüflinge und mich u.a. Ausführungen zur wahren Ortszeit. Von der Mittagsrast in Roth führte uns Tatjana zum Rhönparkhotel, unserem Abendquartier, südlich um die Rother Kuppe herum. Die Pferdepaddocks waren dort von Eberhard und Hans bereits in bewährter Weise abgesteckt worden. Wegen der extremen Hanglage gestaltete sich die Pferdeversorgung allerdings nicht ganz einfach und war ziemlich anstrengend. Nach einer Erholungspause im Schwimmbad des riesigen Rhönparkhotels, in dem man sich ohne Karte und Kompass kaum zurecht finden konnte, haben wir dann bereits den letzten gemeinsamen Abend gefeiert, da Tatjana und ich unmittelbar nach unserer Ankunft in Ostheim am nächsten Tag noch die 400 km weite Rückreise nach Hause antreten wollten.

Am letzten Tag hatten vormittags Hans und am Nachmittag Eberhard die Rittführung inne. Für meinen Geburtstag hatten sich alle eine Überraschung ausgedacht, die mich riesig gefreut hat: Joe hatte an einer bestimmten Stelle eine Flasche Sekt in einem Bach deponiert und Sektglaser an einem Baum befestigt. Ich glaube, Hans war erleichtert, dass er die von Joe anhand der Karte vorgegebene Stelle am Bach so einwandfrei gefunden hat. Es war eine gelungene Überraschung für mich!
Etwa eine Stunde vor der Lichtenburg, dem Ziel für unsere letzte Mittagsrast, trafen wir auf einen „in freier Wildbahn“ gelegenen sehr ordentlichen Reitplatz, der offensichtlich zu dem daneben gelegenen gepflegten Isländerhof gehörte. Da alle gerne die Prüfung auf dem Reitplatz, die eigentlich nach der Ankunft vorgesehen war, hinter sich bringen wollten, habe ich mich auf den Weg gemacht, und die Dame, die auf dem Hof zu Gange war, angesprochen. Sie war zuerst äußerst reserviert. Als ich jedoch den Namen Joe Kessler nannte, ist sie spontan aufgetaut. Es hat sich herausgestellt, dass Joe ein alter Freund ihres Mannes ist. Alle durften dann die Reitprüfung auf dem Platz ablegen, wir durften im Hof die Pferde anbinden und bekamen kühle Getränke. Anschließend hat uns die liebenswürdige Dame noch auf den schönsten Wegen, die nur Einheimische kennen, zu unserer Mittagsrast auf der Lichtenburg geführt.
Von der Mittagsrast  war es dann nur noch ein Katzensprung zurück zum Reiterhof am Waldesrand in Ostheim, unserem Start- und Zielpunkt. Dort konnten wir noch mit einem kurzen Umtrunk die bestandenen vier Prüfungen und den Abschied von einer wunderschönen Reitwoche feiern.
Herzlichen Dank an Eberhard und Hans für die Organisation, die perfekte Logistik und die liebenswerte Begleitung! Herzlichen Dank auch an Joe Kessler, dass er mit seinen knapp 80 Jahren die doch weite Anreise in Kauf genommen hat, um in der Rhön meine Kursteilnehmer, die auch während des Rittes abends so fleißig mit mir gelernt hatten, zu prüfen.

Susanne Bauer